Rahmenbedingungen, Vorteile und Barrieren von Home Office kurz vor Covid-19

Kurz vor Covid-19 in Österreich und Deutschland


Die aktuelle Situation stellt für alle eine große Herausforderung dar (Stand: 15.03.2020). Ziemlich schnell mussten verschiedene Arbeits-Rechtliche Organe Informationen zu den Rahmenbedingungen in dieser Zeit aufbereiten. „Home Office“ ist üblicherweise eine Arbeitsvertragliche Einigung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber und daher ist es ein Novum, dass so viele Menschen ganz plötzlich „Home Office“ machen sollen bzw. müssen.

Dies bringt einige Herausforderungen mit sich. Beispielsweise darf im Home Office in Österreich[1] die durchschnittliche Wochenhöchstarbeitszeit nur mit schriftlicher Einverständniserklärung des Dienstnehmers überschritten werden. In Deutschland[2] darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von 6 Kalendermonaten nicht überschritten werden.

Unüblich ist diese Situation momentan generell. Alles ändert sich ständig. So hat eine Befragung der Statista Anfang März 2020 gezeigt, dass sich 75.4% der Befragten (etwa 1000 Angestellte kleiner bis großer Unternehmen in Deutschland) nun vorstellen können im Home Office zu arbeiten. Die Schwierigkeit liegt eher bei den Arbeitgebern, da nur etwas mehr als die Hälfte technisch dazu in der Lage wären, dies zu ermöglichen.

Infografik von statista.com zur Umfrage zum Arrbeiten im Home Office wegen des Coronavirus (März 2020)

Das sah vor ein paar Monaten noch anders aus. Laut einer Studie von November 2019 des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)[3], der Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit, wollten zwei Drittel derer, die nicht von zu Hause aus arbeiten, diese Möglichkeit gar nicht. Befragt wurden mindestens 771 Betriebe und 6.779 Beschäftigte. Und das obwohl laut einer Studie vom Januar 2019 von Bitkom 39% der Arbeitgeber ihren Mitarbeitern die Möglichkeit zu Home Office gibt. Hier wurden 855 Geschäftsführer und Personalverantwortliche von Unternehmen befragt.


Welche Möglichkeiten und Vorteile bietet Home Office?

Die Vorteile der smart working Gesellschaft (lavoro agile) ist die Ortsunabhängigkeit und (sehr) gute Vereinbarkeit von den Arbeitszeiten mit familiären und sozialen Verpflichtungen, die zu mehr Zufriedenheit der Mitarbeiter führt. Dies zeigte eine sehr aktuelle Studie vom Januar 2020 des Instituts für Wirtschaft [4]. Die Flexibilität sich selbst die Zeit einteilen zu können lässt demensprechend eine bessere Work-Life-Balance erwarten und bietet zudem konkrete Zeitersparnis, weil man sich den Weg zur Arbeit erspart. Dennoch gibt es – wie bei allem – nicht nur Vorteile.


Welche Barrieren gibt es seitens der Arbeitnehmer, dass sie nicht unbedingt im Home Office arbeiten wollen?

Eventuell könnten Studien zur psychischen Gesundheit im Home Office eine Erklärung geben: Laut einer AOK-Befragung vom September 2019[5] (bei der 2000 Beschäftigte zwischen 16 und 65 Jahren befragt wurden), fühlten sich 73,4% der Personen, die häufig im Home Office arbeiten, in den vergangenen zwölf Monaten erschöpft. Deutlich weniger, nämlich 66% hingegen waren es bei den Personen, die ausschließlich im Büro tätig sind. Im Home Office kam es auch häufiger zu mehr Wut und Verärgerung (69,8% gegenüber 58,6%), sowie zu mehr Nervosität und Reizbarkeit (67,5% im Vergleich zu 52,7%).

Gesundheitlich weniger förderlich scheint Home Office auch laut Erkenntnisse der Studie „Get Noticed and Die Trying: Signals, Sacrifice, and the Production of Face Time in Distributed Work“[6]. Die Autoren schreiben, dass Nachteile im Home Office dadurch entstehen, dass zwischenmenschliche und persönliche Interaktionen mehr im Gedächtnis bleiben als ein Chat oder ein Telefonat. Im Büro Anwesende werden beim Arbeiten eher gesehen, genauso wie ihre Arbeit. Die menschliche Prägung veranlasst dies.Somit müssen Personen im Home Office für die gleiche Aufmerksamkeit mehr arbeiten. Dies kann mittelfristig zu Burnout führen. Zudem erhalten sie weniger Gehaltserhöhungen und Beförderungen.

Auch die Studie von Bitkom[7] zeigte, dass 58% der Unternehmen annehmen, dass ohne direkten Austausch mit Kollegen die Produktivität sinke. 33% sind der Meinung, dass die Mitarbeiter nicht jederzeit ansprechbar seien und 29%, dass die Arbeitszeit nicht kontrollierbar sei. Dazu kommen Sorgen um die Datensicherheit (22%) und eine abnehmende Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen (9%), sowie, dass die technische Ausstattung zu teuer wäre (16%).

Wenn man sich ganz Europa ansieht, dann wird Home Office “ für die meisten der 17% der Europäer, die in der verarbeitenden Industrie, 7% im Baugewerbe und 14% im Handel und 5% im Hotel- und Gaststättengewerbe arbeiten, nicht funktionieren“, sagt Bloomberg-Experte Maeva Cousin[8].

Unser Fazit

Wir haben uns mehr Vorteile als Nachteile erwartet und sind überrascht, dass sich mehr Nachteile finden lassen. Ist die Welt des schönen Home Office alles eine Illusion? Andererseits verändert das Virus momentan stark unsere Arbeitswelt und somit vielleicht auch unser Denken. Wir dürfen gespannt sein was folgt.


[1] https://www.arbeitsinspektion.gv.at/Gesundheit_im_Betrieb/Gesundheit_im_Betrieb_1/Coronavirus.html#heading_Psychologische_Strategien_um_haeusliche_Isolation_und_Quarant_ne_gut_zu_ueberstehen

[2] https://www.dgb.de/themen/++co++a62c8704-69ce-11ea-b2bd-52540088cada

[3] http://doku.iab.de/kurzber/2019/kb1119.pdf

[4] https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/beitrag/andrea-hammermann-joerg-schmidt-oliver-stettes-fuehrungskraefte-sind-gefragt.html

[5] https://www.aok-bv.de/presse/pressemitteilungen/2019/index_22652.html

[6] https://pubsonline.informs.org/doi/10.1287/orsc.2018.1265

[7] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Vier-von-zehn-Unternehmen-setzen-auf-Homeoffice

[8] https://amp.n-tv.de/wirtschaft/Europa-ist-nicht-gewappnet-fuer-Homeoffice-article21633827.html#aoh=15851436637829&referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com&_tf=Source%C2%A0%3A%20%251%24s